Ob im Alltag oder im Beruf: ständig sehen wir uns vor die Aufgabe gestellt unsere Wünsche, Bedürfnisse, unser Können dem Gegenüber mitzuteilen, miteinander zu reden. Vermutlich haben Sie auch schon festgestellt, dass das oft gar nicht so einfach ist. Nicht selten versteht der Partner, die Freundin oder die Kollegin etwas ganz anderes, als Sie eigentlich sagen wollten. Und keiner weiß am Ende, woran das liegt, am Sender, am Empfänger, an der Wortwahl, am Tonfall?
So wird manches Gespräch zum Streit, ohne zu wissen, wie das jetzt passieren konnte. Sie kennen solche Situationen zu genüge? Amelie (Name geändert), eine meiner Klientinnen, findet sich auch immer wieder in solch schwierigen Gesprächen mit ihrem Mann wieder. Sie schildert mir Ihre Not.
Jede Beziehung ist vor allem ein langes Gespräch.
Amelie sitzt vor mir und klagt mir ihr Leid. Es gelingt ihr einfach nicht mit ihrem Mann ruhige, konstruktive Gespräche zu führen. Sie ist oft so fassungslos, ja sogar sprachlos, über seine Argumentation. Versteht so manches Mal seine Beweggründe nicht. Und weiß dann oft nicht, wie sie weiter im Gespräch bleiben kann um doch noch eine Lösung zu finden, ohne dabei verletzend zu werden. Meistens ist die Erziehung der Kinder der Grund für heiße Diskussionen.
Amelies eigener Weg
Amelie ist schon länger bei mir und versucht inzwischen nicht mehr die gleiche Erziehung an ihre Kinder weiterzugeben, die auch sie erfahren hat. Sie will es anders machen und ist dabei auf einem guten Weg, denn ihr war sehr schnell klar, dass ihre Veränderung nur bei ihr selbst beginnen kann, in ihrem Inneren.
Ihre Mutter hat narzisstische Züge und der Vater war eigentlich nicht präsent, beruflich immer viel auf Reisen. In ihm fand Amelie keine Stütze. Stattdessen war sie ständig bemüht der Mutter alles Recht zu machen und mit minimalem Streitpotential durch ihre Kindheit zu kommen.
Verhalten ändern fällt oft schwer
Als Amelie sich durch unsere Arbeit ihrer eigenen Verhaltensweisen von damals bewusst wurde und erkannte, wie sehr sie noch heute danach funktionierte und entsprechend handelte, ließ sie dieses Erkennen natürlich auch in ihre jetzige Erziehungsmethodik einfließen. Sie versucht inzwischen Ihren Kindern sehr viel mehr die Umstände zu erklären, statt sie zu schützen und Dinge zu verheimlichen, setzt klare und liebevolle Grenzen, statt sich den Wünschen der Kinder unterzuordnen. Sie beginnt nach sich zu schauen, ihren Bedürfnissen Raum zu geben und ihre hohen Ansprüche sich selbst und anderen gegenüber herunterzuschrauben.
Das ist ein neues Selbstbewusstsein, mit dem ihr Mann natürlich erst zu Recht kommen muss. Amelie hat sich auch seinen Wünschen und Bedürfnissen immer untergeordnet, nun beginnt sie langsam und noch etwas zaghaft sich eine neue Welt zu erobern – ihre Welt. Was für ihren Mann nicht so einfach nach zu vollziehen ist. Wie sich später herausstellte, hat Amelie ihn nur selten an ihren Gedanken und Entwicklungsschritten teilhaben lassen.
Schatz, wir müssen reden!
Dadurch ist es aber auch nicht verwunderlich, dass er auf das, was gerade mit Amelie und den Kindern passiert, mit Unverständnis, ja teilweise sogar mit Aggression reagiert, denn er WEISS einfach nicht, mit was sich seine Frau inzwischen auseinandersetzt, welche Sichtweisen sie hat, was sie denkt und fühlt. Für ihn muss Amelie fast a bissel fremd wirken. Er hat sie ganz anders kennen und lieben gelernt?! Vielleicht hat er auch das Gefühl, sie zieht sich von ihm zurück und Angst sie zu verlieren – keiner weiß was in ihm vorgeht – solange Amelie nicht mit ihm richtig redet und ihn auf ihrem Weg mitnimmt. Nur dann hat ihr Mann eine Chance Amelie zu verstehen und ihr Verhalten richtig zu deuten.
Gemeinsam stark sein
In unserer Arbeit hat Amelie festgestellt, Sie hat ihrem Mann diese Chance sie zu verstehen, auch noch nicht wirklich gegeben! Es ist alles so neu für sie und sie findet sich oft selbst noch nicht in ihrem neuen Sein zurecht. Doch genau mit dieser Verwirrung soll und darf sie sich Ihrem Partner jetzt zeigen und ja, ihn sogar um Unterstützung bitten. So kann der eigene Weg zu einem gemeinsamen Weg werden. Und das verbindet mehr, als das Konfrontation herauf beschwört wird.
Beziehung heißt auch Entwicklung.
Nun will Amelie ihrem Mann von dieser anderen Sicht auf sich selbst, auf die Kinder und von ihren eigenen Erfahrungen, Veränderungen und Erkenntnissen berichten, ihn mitnehmen auf ihrem Weg, doch sie findet nur schwer die richtigen Worte für ihre neue Sichtweise. Sie hat das Gefühl ihr Mann fühlt sich immer gleich so angegriffen. Sie weiß sich nicht zu helfen, wie Sie mit ihm konstruktiv ins Gespräch gehen kann und bittet mich um Unterstützung.
Rechtzeitig, richtig miteinander reden
Was Amelie hier helfen kann ist „gewaltfreie Kommunikation“ nach Rosenberg. In vereinfachter Art stelle ich Ihnen heute einen Auszug hier vor, vielleicht kann dieser auch Ihnen ein Impuls sein. Wichtig ist, sich nicht erst in kritischen Situationen miteinander auseinander zu setzen, sondern schon vorher damit zu beginnen klärende Gespräche zu führen. Damit das Gegenüber, dann, wenn es eng wird, verstehen kann, wieso Sie sich so verhalten, wie Sie es gerade tun, vielleicht sogar unterstützen kann und die Gefahr etwas miss zu verstehen minimiert wird.
Wie gut kennen Sie Ihren Partner eigentlich?
Da will ich Sie doch gleich mal fragen: wann haben Sie mit Ihrem Partner das letzte Mal so richtig geredet? Und ich meine jetzt nicht nur den Austausch von Informationen darüber, wie der Tag war, sondern von Gefühlen, Gedanken, Sichtweisen und Einstellungen? Eigentlich klingt es so einfach und Frau sollte meinen, dass jeder das irgendwann einmal gelernt hat. Doch jetzt verrate ich Ihnen ein Geheimnis: die meisten Menschen beherrschen die Grundrechenarten, aber sie haben nur wenig Ahnung von den Grundlagen der Kommunikation.
Wie Missverständnisse entstehen
Haben Sie auch oft das Gefühl, Sie reden eigentlich ständig über Ihre Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse, bis Ihnen dann im Gespräch bewusst wird, dass Sie doch auch so einiges zurückhalten – ganz unbewusst? Und die Herren in der Regel noch ein wenig mehr. Es sind aber trotzdem nicht nur die Männer, die besser rechnen als reden können. Doch auf jeden Fall sind es irgendwie immer die ANDEREN, die „komisch, schwierig, selbstsüchtig, destruktiv und verletzend“ sind. Dabei braucht es nur ein paar kleine Fertigkeiten, um wirkungsvoll kommunizieren und Missverständnisse vermeiden zu können. Im Übrigen hilft hier natürlich auch ein selbstkritischer Blick in den Spiegel, ich sage nur Gesetz der Resonanz.
Und so bauen sich Missverständnisse meist auf:
- Das was Sie ausdrücken möchten, ist nicht immer unbedingt das, was Sie sagen
- Das was Sie sagen, ist nicht unbedingt das, was beim anderen ankommt
- Das was beim anderen ankommt, ist nicht unbedingt das, was Sie ausdrücken wollten.
- Und das, was bei Ihnen ankommt, ist auch nicht immer das, was der andere ausdrücken wollte.
7 Regeln für eine gute Kommunikation
Damit es mit dem miteinander reden richtig klappt, helfen diese 7 Regeln, um Missverständnisse zu vermeiden:
- Verwenden Sie die ICH-Form und versuchen Sie freundlich zu bleiben. Wenn Sie das DU auf den Lippen haben, bringen Sie damit automatisch Ihr Gegenüber in die Verteidigungsposition. Und ein PingPong von Vorwürfen lässt dann meist nicht lange auf sich warten.
- Achten Sie auf Ihre Gestik, Mimik und Ihren Tonfall. Das was Sie ohne Worte ausdrücken, wirkt meist stärker als das Gesagte!
- Versuchen Sie möglichst klar zu formulieren, was Sie wirklich sagen wollen. Bleiben Sie dabei authentisch und versuchen Sie nicht zu taktieren.
Tipp (aus eigener Erfahrung): Wenn Ihnen nicht die richtigen Worte einfallen wollen, dann sprechen Sie es genau so aus, wie Sie es im Kopf haben, auch auf die Gefahr hin, den anderen damit zu verletzen. Warnen Sie ihn evtl. vor, nach dem Motto: „Du, ich weiß jetzt gerade nicht, wie ich es sagen kann, ohne dich zu verletzen. Ich versuch es jetzt einfach mal, aber mir ist es wichtig unbedingt mit dir im Gespräch zu bleiben und eine gute Lösung für uns beide zu finden.“ Und versuchen Sie dann das Gesagte zu erklären. Fragen Sie beim Gegenüber ab, was bei ihm ankam und gehen Sie so in den Austausch um schließlich da anzukommen, was Sie wirklich sagen wollten. Trauen Sie sich, manchmal braucht es einfach diese Schleife.
- Wenn Sie bemerken, dass Sie in die Verteidigungsposition rutschen sollten, können Sie sich mit Fragen wieder herausholen. Fragen Sie nach, ob Sie Ihr Gegenüber richtig verstanden haben?!
- Wenn Sie sich „wehren“ wollen: Zeigen Sie Ihrem Gegenüber Respekt, indem Sie ihm immer deutlich machen, dass Sie seine Sichtweise der Dinge zwar verstehen, dennoch eine andere Meinung dazu haben…das nennt man „wertschätzende Kommunikation“. Und so können beide Ansichten im Raum bestehen bleiben ohne den anderen krampfhaft überzeugen zu müssen.
- Auf diese Weise entsteht eine gute Gesprächsbasis dafür, nach einem hilfreichen Kompromiss Ausschau zu halten, falls notwendig.
- Außerdem können Sie Ihr Gegenüber gerne dafür anerkennen, dass er so konstruktiv mit Ihnen spricht und er sich mit Ihnen über das Thema auseinandersetzt.
Seien Sie mutig und öffnen Sie sich
Missverständnisse sind eher die Regel als die Ausnahme – leider. Wie komplex Kommunikation sein kann, wird dann deutlich, wenn sie nicht funktioniert: Missverständnisse und Streitereien sind die logische Konsequenz.
Äußern Sie
- Ihre eigenen Gedanken und Gefühle
- zu konkreten Situationen oder Verhalten
- in der ICH-Form.
Denn Menschen bevorzugen andere Menschen, die ihre Gefühle OFFEN zeigen!
Noch ein Tipp: Wenn Sie jetzt zufällig nicht gerade Gedankenlesen können, dann gestatten Sie sich unbedingt, auch mal Ihr Gegenüber aktiv zu fragen, was er/sie dazu denkt oder fühlt, was für sie/ihn die Dinge bedeuten…
Also nutzen Sie diese wundervolle Herbstzeit für sich und Ihre Beziehungen! Oder gäbe es eine bessere Gelegenheit, gerade in diesen Tagen, wenn es draußen so richtig stürmt, drinnen den Raum zu finden, mal wieder ein richtig gutes Gespräch zu führen?
WARUM? WEIL SIE ES SICH WERT SIND!
Von Herzen: Ihre Martina
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